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Hier finden Sie eine kurze Zusammenfassung des Themas "Amphibiensterben" - Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis).
Wenn Sie über weiterführende Informationen oder Fotos verfügen, können Sie mir gerne eine Mail schicken!

Letzte Änderung: 06.02.2011




Eine sich - evtl. aufgrund von Chytridpilz-Befall - häutende Gelbbauchunke (© Andreas Koch, xxl-Foto)

Eine noch kaum untersuchte lebensbedrohliche Gefahr, die viele Amphibienarten weltweit betrifft, breitet sich auch in Deutschland vielerorts aus. Es handelt sich um den vermutlich aus Südafrika stammenden und erstmals im Jahre 2000 in Deutschland nachgewiesenen Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis). Evtl. ist der Chytridpilz als blinder Passagier im "Gepäck" des Afrikanischen Krallenfrosches (Xenopus laevis) nach Deutschland gekommen. Der Krallenfrosch wurde hierzulande im Zusammenhang mit dem Nachweis menschlicher Schwangerschaften "genutzt" (fügte man dem Aquariumwasser von Krallenfröschen Urin von schwangeren Frauen zu konnte man aufgrund der im Urin enthaltenen Hormone ein Ablaichen der Frösche auslösen). Außerdem wurde er gerne - zumindestens an der Uni Bochum - genutzt um die Metamorphose von Amphibien samt aller Larvenstadien zu demonstrieren. Der Krallenfrosch erkrankt selber nicht am Chytridpilz - kann aber leider sehr wohl als Überträger dienen.

Der Chytridpilz bildet bewegliche Infektionsstadien, die sogenannten Zoosporen, aus. Diese bohren sich in die Amphibienhaut, bilden dort das sogenannte Zoosporangium, in dem wiederum neue Zoosporen heranwachsen. Der Pilz befällt in erster Linie verhornte Amphibienhautteile. Bei den Kaulquappen ist dies nur der Mund, bei erwachsenen Exemplaren ist die gesamte Haut verhornt und der Pilz dementsprechend überall zu finden. Ein Pilzbefall bewirkt eine Veränderung der für Amphibien auch für Atmungszwecke so wichtigen Haut. Diese wird milchig und stumpf, befallene Tiere werden lethargisch, fressen nicht mehr, halten sich sehr lange im Wasser auf und häuten sich viel öfter als gesunde Exemplare. Wenn die Krankheit erst einmal ausgebrochen ist spricht man von Chytridiomykose.
Befallene Kaulquappen zeigen zwar zunächst kaum Symptome sterben aber oft während ihrer Umwandlung (= Metamorphose) zum erwachsenen Tier.

Es wird vermutet, dass der Pilz entweder Gifte freisetzt, die die Tiere über die Haut aufnehmen, oder aber dass der Pilz den Wasser- und Elektrolyt-Haushalt der Amphibien stark beeinträchtigt. Ferner schwächt ein Chytridpilz-Befall die Immunabwehr der Tiere so weit ab, dass weitere Erkrankungen schnell hinzukommen können.



Probeentnahme an einer Gelbbauchunke (© Andreas Koch, xxl-Foto)

Untersuchungen an mehreren Stolberger Populationen:
Im Raum Stolberg bei Aachen wurden im Jahr 2010 Chytridpilz-Untersuchungen an verschiedenen Gelbbauchunken-Populationen vorgenommen. Das Ergebnis zeigt, dass einzelne Tiere einer Population befallen - andere aber auch wieder gesund sein können. In mehreren räumlich getrennten Populationen konnte der Pilz nachgewiesen werden. Ferner handelt es sich bei den befallenen Tieren wohl leider nicht um Ausnahmefälle. Da einige Tiere befallener Populationen zunächst jedoch keine Infektion aufweisen, kann man davon ausgehen, dass ein gesundes und starkes Tier einer Infektion widerstehen kann. Eine genauere Auswertung der Untersuchung steht noch aus.

Was genau ein Chytridpilz-Befall für die betroffenen Tiere bedeutet ist noch unzulänglich geklärt. Man vermutet jedoch, dass die Tiere durch die zusätzlichen Häutungen erst dann massiv geschädigt werden, wenn weitere Stressfaktoren hinzukommen.
Dann führt ein Befall aber schnell zum Tod des Tieres.
Die bei erkrankten Tieren zu beobachtende Lethargie wirkt sich zusätzlich negativ auf Fortpflanzung, mögliche Neubesiedelung von in Frage kommenden Laichbiotopen und Flucht vor Feinden aus.

Paradoxer Weise können gerade Naturschützer, Naturfotografen und andere Amphibieninteressierte an der Verbreitung des Chytridpilzes beteiligt sein. Da die Sporen von Chytridpilzen im Wasser bis zu 24 Stunden (andere Quellen sprechen sogar von bis zu 7 Wochen im Wasser und bis zu 12 Wochen in feuchtem Sand!) überlebensfähig sind, kann der Pilz leicht - anhaftend an feuchter Kleidung, wie z. B. Gummistiefeln - von einem Feuchtbiotop zum nächsten weitergetragen werden. Ein anderer Übertragungsweg ist die Verdriftung in Fließgewässern flußabwärts.

Gedacht werden muss z. B. auch an die Problematik der "künstlichen" Zusammenführung von Amphibien auf engstem Raum an Amphibienschutzzäunen. Verhindert man einerseits als Amphibienfreund zwar den schnellen Straßentod der Tiere, rikiert aber andererseits den langsamen Chytridpilz-Tod?
Bis dato gesunde Tiere könnten sich in den Auffangvorrichtungen durch erkrankte Exemplare anstecken...



Gestelltes Foto, dass die Pilz-Übertragung durch den Menschen demonstrieren soll!
Dem links abgebildeten Tier ist bei der Aufnahme selbstverständlich nichts passiert! (© Andreas Koch, xxl-Foto)

Leider liegen auch zu diesen Vermutungen wenig wissenschaftliche Erkenntnisse vor. So lange diese Gefahr nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann sollten Feuchtgebiet-Besucher ihre Kleidung (und ggf. auch Netze!) nach jedem Verlassen eines Feuchtbiotops desinfizieren! Dies ist deshalb besonders wichtig, weil es bisher keine Möglichkeit gibt den Pilz aus einem einmal befallenen Gebiet wieder zu entfernen.
Das folgende Foto zeigt ein löbliches Beispiel:



Desinfektion von Gummistiefeln (© Andreas Koch, xxl-Foto)

Es gibt eine Reihe an Desinfektionsmitteln, die sich für diesen Zweck einigen. Die Suchmaschine liefert z. B. im Zusammenhang mit Stall-Hygiene etliche Treffer. Die Mittel sind wohl meist auf Alkoholbasis hergestellt. Ein aldehyd-, Farbstoff- und parfümfreies Desinfektionsmittel wäre z. B. Germicidan Rapid in der 1 kg-Sprühflasche. Übliche Hausmittel, wie z. B. verdünntes Sagrotan sind aber auch wirksam. Der NABU empfiehlt als Öko-Desinfektionsmittel Per-Essigsäure. Per-Essigsäure, oder kurz PES, tötet Bakterien, Viren und Pilze bereits in niedriger Konzentration und auch bei niedrigen Temperaturen sicher ab. Über den sachgerechten Umgang mit der Chemikalie sollte man sich aber vorab genauestens informieren!
Die KARCH empfiehlt in dem unten verlinkten pdf das Desinfektionsmittel Virkon.

Es gibt noch sehr großen Untersuchungsbedarf auf dem Gebiet "Amphibiensterben - Chytridpilz". Einige weitgehend ungeklärte Fragen sind z. B.:

- Wie weit ist der Pilz bereits in Deutschland verbreitet?

- Wie hoch liegt der prozentuale Anteil der infizierten Exemplare innerhalb einer Population?

- Wie wirkt sich die Infektion genau auf die Lebensdauer der Tiere aus?

- Gibt es Behandlungsmöglichkeiten erkrankter Exemplare oder Mittel der Prophylaxe?

- Sind alle Amphibienarten gleichermaßen betroffen?

Man weiß inzwischen, dass der Chytridpilz am besten bei Temperaturen zwischen 17 und 25 °C gedeiht. In diesem Temperaturbereich kann er seine schädliche Wirkung am "besten" ausüben, was man anhand einer sehr hohen Sterberate der befallenen Tiere ablesen kann.

Ferner weiß man inzwischen ebenfalls, dass z. B. Seefrösche kaum auf einen starken Chytridpilz-Befall reagieren. Das macht sie zu gefährlichen Überträgern und "Dauerinfektionsherden". In der Schweiz konnten bisher Infektionen an Geburtshelferkröte, Kreuzkröte, Erdkröte, Wasserfrosch, Seefrosch, Feuersalamander, Berg- und Fadenmolch nachgewiesen werden.

Der unten verlinkten NABU-Informationsseite zum Thema "Amphibiensterben" kann man entnehmen, dass inzwischen Infektionen aus Spanien, Italien, Großbritannien, der Schweiz und Deutschland gemedet worden sind. In Deutschland werden Funde entlang des Rheins und in der Schorfheide bei Berlin genannt.

Damit möglichst viele ungelöste Fragen geklärt werden können müssen die Tiere unbedingt in Langzeituntersuchungen beobachtet werden. Da sich Gelbbauchunken aufgrund ihrer fingerabdruckartig gefärbten Bauchunterseite auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren identifizieren lassen, drängt sich diese Art besonders für Untersuchungen auf.

   

Probeentnahme an den Schleimhäuten von Gelbbauchunken (Fotos: © Andreas Koch (links), xxl-Foto 1, xxl-Foto 2)

Für die Beantwortung wichtiger Fragen ist oft eine DNA-Untersuchung der Untersuchungstiere notwendig. Das benötigte Untersuchungsmaterial wird dabei anhand von Speichelproben gewonnen. Bei diesen Untersuchungen geschieht den Tieren nichts.



Entnahme einer Speichelprobe für DNA-Untersuchungen (© Andreas Koch, xxl-Foto)

Selbstverständlich nutzt man diese Gelegenheit und vermisst die Tiere mit Hilfe einer Schieblehre genau um möglichst viele Daten über die Tiere zu sammeln.

   

Größenmessungen bei Gelbbauchunken (Fotos: © Andreas Koch (links), xxl-Foto 1, xxl-Foto 2)

Der Chytridpilz könnte zum völligen Verschwinden vieler Amphibienarten weltweit führen. Der Mensch, der vermutlich die Schuld an der weltweiten Verbreitung dieser Krankheit hat (weltweiter Handel mit Amphibien!), trägt die Verantwortung genau dies zu verhindern!

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont könnten "natürliche" Pilzbekämpfungsmittel (Fungizide) werden. Forschern ist es gelungen Bakterien wie Janthinobacterium lividum oder Pedobacter cryoconitis aus der Haut des Rotrückenwaldsalamanders (Plethodon cinereus) zu isolieren. Diese haben sich unter Laborbedingungen beim Gebirgs-Gelbschenkelfrosch (Rana muscosa) als wirkungsvoller Chytrid-Bekämpfer bewährt. Im Freiland konnten die Forscher dann eine Verbreitung dieser nützlichen Bakterien in Amphibienpopulationen nachweisen. Die Idee besteht darin einige Tiere aus Populationen herauszufangen und mit den Bakterien impfen. Nicht nur diese Exemplare würden dann überleben sondern sie würden zusätzlich die nützlichen chytridbekämpfenden Bakterien auch an ihre Artgenossen weiterreichen. Das ist zumindestens die Theorie.
Wie sich die hierzulande ansonsten nicht vorkommenden Bakterien auf die restliche Flora und Fauna auswirken würde ist allerdings nicht abzusehen. Es in einem riesigen Freilandversuch einfach einmal darauf ankommen zu lassen wäre äußerst riskant! Bevor man zu solchen "Harakiri"-Maßnahmen greifen kann, müssen die Auswirkungen von solchen „lebenden Wirkstoffen“ auf unser Ökosystem genau untersucht werden! Der Mensch hat in der Vergangenheit schon des Öfteren versucht in "Schädlings-Nützlings"-Beziehungen regelnd einzugreifen - leider meist ohne den gewünschten Erfolg...
Eine genaue Erforschung dieser Thematik sollte also an vielen Universitäten mit allerhöchster Priorität vorangetrieben werden!


Literatur und weiterführende Seiten im Internet über Amphibiensterben/Chytridpilz:

Wikipedia: Chytridpilz

NABU: Erreicht das Amphibiensterben auch Deutschland?

berlinfrogs.de: Chytridpilz - Skin Fight: Könnten eigene Bakterien Amphibien vor dem Aussterben bewahren?

Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (KARCH): pdf-download

HARRIS, R. N.; T. Y. JAMES; A. LAUER, M. A. SIMON & A. PATEL (2006): Amphibian Pathogen Batrachochytrium dendrobatidis Is Inhibited by the Cutaneous Bacteria of Amphibian Species. EcoHealth 3, 53–56, download

WOODHAMS, D. C.; V. T. VREDENBURG; M.-A. SIMON; D. BILLHEIMER; B. SHAKHTOUR; Y. SHYR; C. J. BRIGGS; L. A. ROLLINS-SMITH & R. N. HARRIS (2007): Symbiotic bacteria contribute to innate immune defenses of the threatened mountain yellow-legged frog, Rana muscosa. Biological Conservation; download
STIFTUNG ARTENSCHUTZ/VERBAND DEUTSCHSPRACHIGER ZOOPÄDAGOGEN, VZP (HRSG.) (2008): Sei kein Frosch - Hilf uns! Materialien und Hintergründe zum weltweiten Amphibiensterben. Was wir dagegen tun können. 39 S. Bezug des Heftes hier bei der Stiftung Artenschutz!