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Fledermaus-Azurjungfer - Coenagrion pulchellum (VANDER LINDEN, 1825)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
Letzte Änderung: 24.08.2013


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Schlanklibellen (Coenagrionidae)

Fotos (© H. Gospodinova & H.-W. Wünsch)



(xxl-Foto)
Männchen
04.06.2012

(xxl-Foto)
Männchen
08.06.2012

(xxl-Foto)
Jungweibchen
05.05.2012
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

In der Familie der Schlanklibellen ist die Fledermaus-Azurjungfer der wohl schlankeste Vertreter von allen Arten. Die schmalste Stelle am Hinterleib kann bei den Männchen manchmal nur die Breite eines Millimeters betragen. Das schwarze Zeichnungsmuster der Männchen gehört wohl zu den variantenreichsten unter den Azurjungfern. Diese hohe Variabilität kann sehr leicht zu Verwechslungen mit anderen Coenagrion-Arten führen. Sogar innerhalb einer Population ist die Variationsbreite derart hoch, dass man sie durchaus mit der sehr ähnlichen Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) verwechseln kann. Allerdings ist bei der Fledermaus-Azurjungfer die abdominale Schwarzzeichnung ausgeprägter. Auf dem 2. Segment findet sich meist eine pokalartige Zeichnung, die entfernt an eine Fledermaus erinnert und für den deutschen Namen der Art verantwortlich ist.



Männchen (1 & 2 oben) und Weibchen (3 jung; 4 grün; 5 schwarz) der Fledermaus-Azurjungfer (Fotos: H.-W. Wünsch)

Nicht umsonst wird die Art im englischen Sprachgebrauch "Variable Bluet" genannt. Laut aktueller Fachliteratur kann die signifikante Zeichnung auf dem 2. Hinterleibssegment der Männchen in 14 verschiedenen Varianten ausgebildet sein. Die Variationen der Antehumeralstreifen auf der Oberseite des Thorax der Tiere reichen von durchgehend über unterbrochen - sie sehen dann einem Ausrufezeichen ähnlich - bis kaum vorhanden.

Die Weibchen treten in verschiedenen Farbmorphen auf. Unter ihnen gibt es braune Varianten sowie am Thorax und an der Unterseite des Abdomens grün gefärbte, mit blauen Farbanteilen auf dessen Oberseite. Weibchen mit durchgehend schwarzem Hinterleib sind ebenso anzutreffen, wie Weibchen in Männchenfärbung.



Grün gefärbtes Fledermaus-Azurjungfer-Weibchen (Foto: 29.05.2011, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Durch ihren extrem schlanken Hinterleib wirkt Coenagrion pulchellum recht zierlich. Wie bei allen anderen Schlanklibellen ist auch hier eine sichere Bestimmung nur Anhand einer Lupe vorzunehmen. Bei der Bestimmung sind fundierte Kenntnisse der unterschiedlich ausgeprägten Merkmale bei den Hinterleibsanhängen (Cerci) der Männchen und dem hinteren Rand der Vorderbrust (Pronotum) bei den Weibchen notwendig.

Flügelspannweite: 40-50 mm

Lebensraum
Coenagrion pulchellum bevorzugt während der Reifezeit und zum Jagen besonnte Bereiche in lichten Waldbeständen und Gebüschzonen. Diese sollten nicht zu weit vom angestammten Gewässer entfernt liegen. Ansonsten sind die adulten Imagines auch in ihrer Habitatswahl sehr variabel. So werden z. B. Flussauen und Hochmoore besiedelt.



Fledermaus-Azurjungfer in ungewöhnlicher Perspektive (Foto: 27.05.2010, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Ein von Bibern angestauter Bachlauf kann ebenso als Habitat dienen, wie ein mit Schwimmblattvegetation und Röhricht bestandener mittelgroßer Weiher. Waldseen, die bis zu 80% beschattet sind können genauso als Lebensraum angenommen werden wie bis zu 30 m2 große Moorseen mit relativ saurem und nährstoffarmem Wasser. Reproduktionshabitate finden sich auch an vegetationsreichen und langsam fließenden Gräben, Wiesenbächen und ruhigen Flussabschnitten oder Buchten. Wichtig ist das Vorkommen von reichlich Schwimmblattvegetation, da diese als Eiablagesubstrat für die Weibchen dient.
Gewässer ohne oder mit nur spärlicher Vegetation wie Kiesgruben, Baggerseen oder Ödlandtümpel werden von der Art daher gemieden.

Biologie und Lebensweise
Die Schlüpfphänologie und Flugzeit der Fledermaus-Azurjungfer variiert in Abhängigkeit vom Klima und dem Besonnungsgrad von Gewässer zu Gewässer ebenfalls sehr stark. So erstreckt sich die Schlupfperiode von Anfang Mai bis weit in den Juni hinein. In kleinen Beständen von weniger als 60 Individuen liegt das Aktivitätsmaximum im Mai, es verlängert sich jedoch mit steigender Bestandsgröße bis Ende Juni.

Auch der typische Tagesablauf der Tiere variiert. Im Allgemeinen erscheinen die Männchen am späten Vormittag vor den Weibchen am Gewässer. Die Männchen die am späten Morgen ans Fortpflanzungsgewässer kommen, ziehen gelegentlich mit einer kaum wahrnehmbaren und raschen Bewegung ihren Hinterleib durch das Wasser um scheinbar dessen Temperatur zu prüfen.



Fledermaus-Azurjungfer-Kopula mit grünlich gefärbtem Weibchen (Foto: 19.05.2011, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)



Fledermaus-Azurjungfer-Kopula mit bräunlich gefärbtem Weibchen (Foto: 07.06.2010, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Die um die Mittagszeit erscheinenden Weibchen werden dann zur Paarung ergriffen. Diese findet sitzend in der nahen Ufervegetation statt und dauert im Schnitt zwischen 10 und 15 Minuten. Die unmittelbar darauf folgende Eiablage findet in typischer Coenagrion-Manier statt.



Eiablage der Fledermaus-Azurjungfer links und Blauer Federlibelle (rechts) (Foto: 11.06.2010, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Das Weibchen sticht dabei seine Eier in weiches Substrat abgestorbener Schwimmblattvegetation ein, während das Männchen, an das Weibchen angekoppelt, senkrecht über ihm steht und auf diese Weise die Eiablage bewacht. In seltenen Fällen taucht das Weibchen zur Eiablage auch vollständig unter Wasser. Derartige Tauchgänge können 25 bis 30 Minuten dauern.

Die Männchen bleiben derweil in etwa 5 Zentimetern Höhe über dem Wasser sitzen und warten das Auftauchen des Weibchens ab. Eiablagen erfolgen nur bei einer Wassertemperatur von mindestens 18°C. Selbst an warmen Tagen lässt am Nachmittag, etwa gegen 15:30 Uhr die Aktivität der Fledermaus-Azurjungfer stark nach. Ab 16:00 Uhr ist kaum noch ein Exemplar am Gewässer zu entdecken.

Nahrung
In der Art und Weise der Nahrungsaufnahme und Beschaffung gleicht die Fledermaus-Azurjungfer den meisten anderen Kleinlibellenarten.



Fledermaus-Azurjungfer-Männchen mit Beute (Foto: 05.05.2012, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Fliegende Kleininsekten, wie Mücken, kleine Fliegen, Motten und andere Kleinschmetterlinge wie z. B. Zünsler werden im Flug erbeutet und ruhend in der Vegetation vertilgt. Blattläuse und kleinere flugunfähige Insekten werden von hinten angeflogen und auf ihren Pflanzen sitzend blitzschnell überwältigt.

Verbreitung in D/Welt
Das Verbreitungsgebiet der Fledermaus-Azurjungfer reicht über Gesamteuropa bis nach Westasien. Damit gleicht es im Grunde dem der Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella). Während die Hufeisen-Azurjungfer jedoch fast flächendeckend vorkommt, weisen die Bestände der Fledermaus-Azurjungfer - großflächig gesehen - zuweilen riesige Lücken auf. So kommt die Art in Italien nur im äußersten Norden und Süden vor. In der Mitte des Landes fehlt die Art. Nordafrika wird ebenfalls nicht besiedelt. Vereinzelte Vorkommen gibt es in Nordspanien und auf dem Peloponnes.

In Deutschland hat Coenagrion pulchellum ihren Verbreitungsschwerpunkt im Voralpenland. In der Schwäbischen Alb gibt es nur noch sehr wenige Vorkommen. Nach Norden hin wird die Art immer seltener. Im Niederländischen Binnenland existieren stellenweise gesunde Populationen, die jedoch von Jahr zu Jahr in ihrem Bestand stark schwanken. Ihr dortiges Vorkommen wird durch speziell eingerichtete Schutzzonen zu sichern versucht.

Verbreitung in NRW
In Nordrhein-Westfalen kommt die Fledermaus-Azurjungfer trotz ihrer variablen Lebensraumansprüche nur noch inselartig an wenigen Stellen vor. Die Art fehlt zum Beispiel in der gesamten Niederrheinischen Bucht. Hier wurden in den letzten Jahren (bis 2003) lediglich Einzelfunde nachgewiesen. Gesunde Populationen konnten sich dort jedoch nicht etablieren.



Schwarz gefärbtes Fledermaus-Azurjungfer-Weibchen beim gemeinsamen Sonnenbad mit der Frühen Adonislibelle
(Foto: 05.05.2012, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Im Norden von NRW ist ihr Vorkommen zahlenmäßig sehr gering. Stabile Populationen der in der Roten Liste für bedrohte Tierarten (ARBEITSKREIS LIBELLEN NRW, 2010) in der Stufe 3 = "gefährdet" eingestuften Spezies, finden sich erst wieder in den Niederlanden. Dort finden sich geeignete Naturschutzgebiete mit mildem Klima.

NRW-Fundpunkte der Fledermaus-Azurjungfer können Sie hier der Karte des Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen entnehmen.

Benutzte Literatur
ARBEITSKREIS LIBELLEN NRW (2010): Rote Liste und Artenverzeichnis der Libellen - Odonata - in Nordrhein-Westfalen. 4. Fassung, Stand April 2010 als pdf-Dokument

BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer - Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart. 279 S.

DOUWE, K. & B. DIJKSTRA (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GERKEN, B. & K. STERNBERG (1999): Die Exuvien europäischer Libellen. Höxter, Jena: Arnika & Eisvogel

GESKE, C.; B. HILL, L. MÖLLER, H.-J. ROLAND & S. STÜBING (2011): Atlas der Libellen Hessens Band 1; Hessen-Forst FENA. 184 S.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland, Geländeschlüssel. Buch u. DVD. NABU-Landesverbände: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern

HOLZINGER, W. & B. KOMPOSCH (2012): Die Libellen Kärntens. Sonderreihe Natur Kärnten, Band 6. Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Klagenfurt, 336 S.

JURZITZA, G. (2000): Der Kosmos-Libellenführer. Stuttgart: Franckh-Kosmos

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart.

STERNBERG, K. & BUCHWALD, R. (2000): Die Libellen Baden-Württembergs, Band 1, Kleinlibellen, S. 270 ff.

WENDLER, A. & NÜß, J.-H. (1991): Libellen: Bestimmung, Verbreitung, Lebensräume und Gefährdung aller Arten Nord- und Mitteleuropas sowie Frankreichs unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der Schweiz. - Hamburg: DJN 1991, 129 S.

WILDERMUTH, H., (2010): Wissenschaftliche Arbeit zum Thema "Waldlichtungen als terrestrische Habitate von Libellen (Odonata)". ENTOMO HELVETICA 3: 7-24

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2012): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. CD-ROM, Band 1, Kleinlibellen, 4. aktualisierte Auflage.


Internet: www.waldschrat-online.de: Die Libellen Nordrhein-Westfalens.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.libellenwissen.de: Sehr viele Informationen über Libellen, Bestimmungshilfen, Fotogalerien uvm. von Andreas Thomas Hein

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


Zur Linkliste weiterer interessanter Libellen-Internetseiten auf www.natur-in-nrw.de