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Hirschkäfer - Lucanus cervus (LINNAEUS, 1758)
Artenprofil von Axel Steiner
Letzte Änderung: 12.02.2013


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Käfer (Coleoptera)
Familie: Schröter (Lucanidae)

Fotos (© Jochen Rodenkirchen)
Ville bei Brühl


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Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich

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Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

schwarzbraun; Fühler gekniet; 1. Fühlerglied auffallend lang; 4-gliedriger kammartiger Fühlerfächer aus unbeweglichen "Blättern"; Vorderschienen nur gepunktet und ohne Furchen (im Gegensatz zum Balkenschröter!)

Körperlänge: 20(25)-60(75) mm



Das mächtige "Kopfgeweih" des männlichen Hirschkäfers (Foto © Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)


Männchen: mit großen geweihartig verästelten Oberkiefern (Mandibeln) und übermäßig entwickeltem Kopf; Flügeldecken und Oberkiefer der Männchen braunrot gefärbt



Männlicher Hirschkäfer (Foto © Jochen Rodenkirchen)


Weibchen: braunschwarz mit mattem Halsschild; maximal 40 mm groß; ohne "Geweih", dafür aber mit kräftigen kürzeren Mandibeln



Kopf des Hirschkäfer-Weibchens mit den kräftigen Mandibeln
(Screenshot aus Film © Reiner Weidlich, Hirschkäfer im Film)

Eier: rundlich bis schwach oval, durchscheinend und von gelblicher Farbe; Durchmesser zunächst etwa 2 mm, später bis Erbsengröße aufquellend

Larve: die blassgelben und blinden Larven können bis zu 12 (!) cm lang werden.

   

Larven des Hirschkäfers (Fotos © Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto 1, xxl-Foto 2)


Ähnliche Art:
Balkenschröter (Dorcus parallelipipedus): Das Weibchen des Hirschkäfers kann mit dem Balkenschröterverwechselt werden. Das Balkenschröter-Weibchen ist jedoch stärker auf den Flügeldecken punktiert und nicht so glänzend (matt schwarzbraun), etwas kleiner, flacher gebaut und die Vordertibien haben oberseits Leisten und Längsrinnen.



Das geweihlose Weibchen kann mit dem hier gezeigten Balkenschröter verwechselt werden! (Foto © Bernhard Renke, xxl-Foto)

Lebensraum
Insbesondere in alten (150-250 Jahre) wärmebegünstigten Eichenwäldern (gerne Eichen-Hainbuchen- und Kiefern-Traubeneichen-Wälder), aber auch in lichten Auwäldern, historischen Parkanlagen, Gärten in Waldnähe oder alten Streuobstbeständen zu finden. Benötigt werden Altholzbestände mit einem hohen Anteil an Totholz. Hirschkäfer sind in der Ebene und in niedrigen Höhenlagen (bis 500 m ü NN) zu finden.



Frontalansicht des männlichen Hirschkäfers (Foto © Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)

Auch wenn man ein Vorkommen von Hirschkäfern sofort mit alten Eichenbeständen verbindet, sind Larven auch an vielen anderen Baumarten (Buche, Erle, Hainbuche, Walnuß, Ulme, Pappel, Weide, Linde, Birne, Apfel, Esche, Fichte, Kiefer usw.) gefunden worden. Die ökologische Nische des imposanten Käfers ist also nicht so eng gefasst, wie oft vermutet.

Biologie und Lebensweise
Im Sommer kommt es zwischen den Hirschkäfer-Männchen zu Kämpfen um die Weibchen. Oft trifft man sich dabei in der Nähe von Saftleckstellen. Wie auch im verlinkten Film schön zu sehen ist, wird das schwächere Männchen dann gepackt und weggeschleudert. Angeblich können männliche Hirschkäfer bis zum 100-fachen (!) ihres eigenen Körpergewichts stemmen. Die Weibchen locken die Männchen mit Hilfe, bis dato noch nicht näher identifizierten, Duftstoffen an.



Kampf zwischen 2 Hirschkäfer-Männchen
(Screenshot aus Film © Reiner Weidlich, Hirschkäfer im Film)

Das Männchen, das als Sieger aus den Kämpfen hervorgeht, kann sich mit einem der deutlich selteneren Weibchen (Verhältnis 1 Weibchen auf 3-4 Männchen) paaren. Zunächst sind die Männchen deutlich in der Überzahl. Nach einigen Wochen verschiebt sich das Verhältnis zu Gunsten der Weibchen, da diese länger überleben. Sie lassen sich effizient bei Gefahr sofort fallen, während die Männchen oft vergeblich auf ihre Kampfstärke setzen und dadurch viel häufiger Opfer von Fraßfeinden werden.



Die Hirschkäfer-Paarung kann bis zu 100-fach wiederholt werden
(Screenshot aus Film © Reiner Weidlich, Hirschkäfer im Film)

Das Weibchen legt anschließend (7-) 50 - 100 ungefähr 2 mm große Eier in der Nähe eines morschen (Eichen-)Holzstumpfs ab. Dabei werden Baumstümpfe in sonnenexponierter Lage bevorzugt. Die Larven entwickeln sich hauptsächlich in morschen Wurzeln, Stämmen und Baumstümpfen von Eichen - selten aber auch in Totholz von Ulmen, Weiden, Pappeln, Eschen oder Obstbäumen.



Gut erkennbar sind die mächtigen Kiefer der Hirschkäfer-Larve
(Screenshot aus Film © Reiner Weidlich, xxl-Foto, Hirschkäfer-Larve im Film)

Als alternative Entwicklungssubstrate können Sägemehlhaufen, Komposthaufen und alte Zaunpfähle dienen. Die Larven entwickeln sich über 3 Stadien bis zu einer Größe von maximal 12 cm (!). Ihre Entwicklung kann 5 (bis 8!) Jahre dauern. Während dieser Zeit ernähren sich die Hirschkäfer-Larven von in Zersetzung befindlichem, morschem, weißfaulen und verpilztem Holz. Eine Larve soll im letzten Entwicklungsstadium nach BRECHTEL & KOSTENBADER (2002) pro Monat etwa 250 cm³ Nahrungssubstrat benötigen. Zur Verpuppung wandern die Larven etwa 20 cm (bis maximal 1 m) tief in die Erde und bauen dort in 2-3 Wochen eine etwa faustgroße Kammer (Puppenwiege) mit atmungsaktiven, wasserabweisenden und etwa 2 cm dicken Wänden.

Die Larven verpuppen sich im Herbst und überwintern nach einer etwa 6-wöchigen Entwicklungsphase bereits als fertige Käfer. Insgesamt dauert die Entwicklung vom Ei bis zum fertigen Käfer in der Regel 5-6 (selten auch bis zu 8!) Jahren. Ende Mai des folgenden Jahres sind dann die ersten geschlüpften Exemplare zu sehen, die dann nur eine Lebenserwartung von etwa 4-8 Wochen haben.

Neben den natürlichen Feinden, wie Wildschweinen, Rabenvögeln, Eulen und Spechten, ist insbesondere der Verlust von totholzreichen alten Eichenbeständen Schuld am Rückgang der Hirschkäfer-Bestände.

Hirschkäfer fliegen meist in der Dämmerung oder nachts, Weibchen auch gelegentlich tagsüber. Sie sind keine besonders guten Flieger und es wird davon ausgegangen, dass sie einen Aktionsradius von 2-5 km selten überschreiten. Ein Abflug gelingt erst nach dem Vollpumpen mit Luft und meist von erhöhten Standorten, bevor es wenig elegant mit etwa 5 km/h auf die Reise geht.



Abflug eines Hirschkäfer-Weibchens
(Screenshot aus Film © Reiner Weidlich, Hirschkäfer im Film)

Hirschkäfer verfügen über einen "Totstellreflex", wenn man sie auf der Körperoberseite berührt. Angeblich kann man sie wieder "auf Trab" bringen, indem man eines ihrer Beine berührt.

Nahrung
Hirschkäfer gehören zu den Saftleckern und nehmen mit ihren pinselartigen Mundwerkzeugen (Maxillen und Labium) ausschließlich flüssige und kohlenhydratreiche Baumsäfte von Eichen (hauptsächlich) oder Kastanien auf. Die Weibchen sind in der Lage mit ihren kräftigen Mandibeln die Rinde von Bäumen aufzureißen und saftende Wunden zu schaffen. Der gärende Baumsaft lockt durch seinen Duft männliche und weibliche Hirschkäfer an, die dieses Zusammentreffen oft nicht nur zur Nahrungssuche nutzen...
Unter Einfluß der vergorenen Baumsäfte können die Käfer herumtorkeln und zu leichten Opfern ihrer Fraßfeinde werden.



Weiblicher Hirschkäfer bei der Nahrungsaufnahme (Foto © Jochen Rodenkirchen)

Verbreitung in D/Welt
Der Hirschkäfer ist in Süd- (Sizilien, Griechenland, Türkei), Mittel- und Westeuropa, im Norden bis Südschweden, lokal auch in England und in Kleinasien und Vorderasien verbreitet. In Deutschland eher in niederen Lagen (bis maximal 500 m ü NN) in allen Bundesländern (Ausnahme: in Schleswig-Holstein liegen wohl keine neueren Nachweise vor) vertreten aber fast überall selten.



Seitenansicht des männlichen Hirschkäfers (Foto © Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)

Das Verbreitungsgebiet der Hirschkäfer deckt sich weitgehend mit dem der Eiche. Je nördlicher die Lage, umso seltener ist der Hirschkäfer anzutreffen. Insgesamt ist er in Deutschland als "stark gefährdete" Art (= Rote Liste 2) eingestuft und gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) eine Art für die europaweit Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind.

Verbreitung in NRW
Auch in NRW zählt der Hirschkäfer zu den bedrohten Tierarten und ist vielerorts bereits nicht mehr anzutreffen. In geeigneten Lebensräumen kann man durch das Anlegen von großen (mindestens 3-5 m³) Eichen-Häcksel-Haufen Ersatz-Eiablageplätze schaffen.

"In Nordrhein-Westfalen kommt der Hirschkäfer in allen Großlandschaften noch zerstreut verbreitet vor. Kernvorkommen liegen am Unteren Niederrhein (Kreis Wesel), im Münsterland (Kreis Recklinghausen), im Weserbergland (Kreise Höxter, Minden-Lübbecke, Lippe), in den Randlagen des Bergischen Landes (u. a. Kreis Mettmann) sowie am Nordrand der Eifel und im Köln-Bonner Raum. Insgesamt sind nach 1990 mindestens 30 Vorkommen bekannt. " (Quelle: Website des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW); Stand 11.02.2013)

Sollten Sie Hirschkäfer-Larven in Ihrem Komposthaufen finden, bedenken Sie, dass die Entwicklungszeit der Larven bis zu 8 Jahre dauern kann. Wenn Sie Ihren Komposthaufen nicht über diesen Zeitraum liegen lassen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt zu Ansprechpartnern von Naturschutzverbänden (z. B. Biologische Stationen) auf. Gemeinsam können dann sicherlich erfolgreiche Umsiedlungsaktion in die Wege geleitet werden!
Vielleicht haben Sie ja sogar Platz in Ihrem Garten für einen "Hirschkäfermeiler"?
Hilfe bei der Einrichtung bekommen Sie sicherlich auch aus Kreisen des Naturschutzes. Die Hirschkäfer werden es Ihnen danken.

Benutzte Literatur
BRECHTEL, F. & H. KOSTENBADER (2002): Die Pracht- und Hirschkäfer Baden-Württembergs. Stuttgart (Hohenheim), Verlag Eugen Ulmer GmbH & Co. 632 S.

HESSEN-FORST FENA (HRSG.) (2011): Der Hirschkäfer in Hessen. Artenschutzinfo Nr. 2. 14-seitige Informationsbroschüre

MÖLLER, G.; R. GRUBE & E. WACHMANN (2006): Der Fauna-Käferführer I - Käfer im und am Wald. Fauna Verlag, Nottuln. 334 S.

SCHAEFER, M. (2006): Brohmer: Fauna von Deutschland. Ein Bestimmungsbuch unserer heimischen Tierwelt. 22., neu bearbeitete Aufl. Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim. 809 S.

ZAHRADNIK, J. (1985): Käfer Mittel- und Nordwesteuropas. Paul Parey - 498 S.


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Weitere Informationen zu Käfern (Coleoptera) im Internet

AG Rheinischer Koleopterologen (www.koleopterologie.de): Die Seite zum Thema Käfer. Links, Veröffentlichungen, Termine, Fotogalerie


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