Homepage

Konzeptidee

Artenlisten

Artenprofile

Naturschutz-Praxis

Chronologie

Links

Buchempfehlungen

Newsletter

Natur-Videos

Fotogalerie

Dank an...

Spiel

Suche

Kontakt & Spende

Hilfe

Impressum


 
 

Kleines Granatauge - Erythromma viridulum (CHARPENTIER, 1840)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
(letzte Änderung: 30.04.2015)


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Schlanklibellen (Coenagrionidae)
Gattung:Granataugen (Erythromma)

Fotos (© H.-W. Wünsch (1), H. Gospodinova (2))



(xxl-Foto)
Männchen

(xxl-Foto)
Weibchen
 
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Wissenswertes zum Gattungsnamen:
"Erythromma" stammt aus dem Griechischen. "erythros" bedeutet rot und "omma" weist auf das markante Auge hin.



Männliches Kleines Granatauge (Foto: H.-Willi Wünsch, xxl-Foto)

Sind die männlichen Jungtiere anfangs noch ähnlich wie die Weibchen gefärbt, färben sie sich bis zum Erreichen der Geschlechtsreife jedoch zum größten Teil blau. Die Oberseite des Abdomens hingegen färbt sich schwarz. Charakteristisch für die erwachsenen Männchen sind die leuchtend roten Augen. Die Augen der Weibchen sind in der oberen Hälfte braun und unten grünlich gelb gefärbt. Ein weiteres sicheres Erkennungszeichen des männlichen Kleinen Granatauges ist die Färbung des 8. Hinterleibssegment, welches an den Außenseiten blau gefärbt ist. Außerdem trägt das 10. Hinterleibssegment auf der Oberseite eine kleine x-förmige Zeichnung (siehe Fotovergleich).

Wenn sich die erwachsenen Männchen absetzen, gehen sie oft in eine Art "Hohlkreuzposition" über. Dabei wird das Ende des Hinterleibs etwas in die Luft gestreckt. Diese Haltung hat offenbar eine Signalwirkung auf die Weibchen und kommt nur bei dieser Art vor. Daher sind männliche Kleine Granataugen auch relativ leicht mit einem Fernglas aus einiger Entfernung bestimmbar.



Weibchen des Kleinen Granatauge (Foto: H.-Willi Wünsch, xxl-Foto)

Die Weibchen der beiden Granataugen-Arten sind wesentlich schwerer voneinander zu unterscheiden. Bei ihnen sind die Abdominalsegmente 4 bis 8 gelbgrün und die Segmente davor und dahinter blaugrün gefärbt. Eine sichere Bestimmung ist nur bei der genauen Betrachtung des Hinterrandes der Vorderbrust (Prothorax, Pronotum) möglich. Beim Weibchen des Kleinen Granatauge fehlt an dieser Stelle die typische Ausbuchtung der größeren Schwesternart.



Verwechslungsarten: oben Kleines Granatauge, unten Großes Granatauge
Gut erkennbar ist oben die blaue Färbung der Außenseiten des 8. und das "x" auf dem 10. Hinterleibssegment
(Fotos: H.-Willi Wünsch, xxl-Foto)

Ähnliche Arten: Auf den ersten Blick ist das Kleine Granatauge leicht mit dem Großen Granatauge zu verwechseln. Sieht man sich die Tiere jedoch genauer an kommen doch einige deutliche Unterschiede zu Tage. Das Abdomen des Kleinen Granatauge ist knapp 5 mm kürzer und misst in seiner Gesamtlänge etwa 30 mm.

Lebensraum
Erythromma viridulum besiedelt strömungsberuhigte Randbereiche naturnaher Flussauen, stehende und leicht durchströmte Altwasser, Seiten- und Totarme von Flüssen, Moorweiher und Biberseen, Teiche und mittelgroße nährstoffreiche Gewässer mit gehölzumstandener Ufervegetation, sowie naturnahe Fließgewässer, die noch Elemente der früheren, natürlichen Flussaue aufweisen.



Typischer Lebensraum des Kleinen Granatauge (Foto: H.-Willi Wünsch, 27.05.2012, xxl-Foto)

Stark verröhrichte Weiher und Sümpfe mit einer zur Mitte hin offenen Wasserfläche kommen ebenfalls als Lebensraum in Frage. Bei allen Gewässertypen muss eine zumindest partielle bis üppige Schwimm- und Tauchblattvegetation in Form von Seerosen und Laichkrautzonen vorhanden sein. Algenvorkommen werden von der Art toleriert, Wellengang hingegen nicht. Eine tageszeitlich lange Besonnung des Habitats stellt die Art als Bedingung.

Biologie und Lebensweise
Das Kleine Granatauge beginnt in den ersten Tagen des Juni zu schlüpfen. Ab der 2. Junihälfte kann es tageweise zu regelrechtem Massenschlüpfen kommen. Einige Nachzügler der Art schlüpfen noch bis in den August hinein. Die Schlupfvorgänge finden am Morgen meist zwischen 8:30 und 10:30 Uhr statt. Nach dem Schlupf entfernen sich die Kleinlibellen vom Gewässer. Bis zur Geschlechtsreife vagabundieren die jungen Imagines in wenigen Hundert Metern Entfernung vom Gewässer umher.



Junges Männchen des Kleinen Granatauge (Foto: Heide Gospodinova, xxl-Foto)

Hier jagen sie nach Nahrung und setzen sich in Büschen und Sträuchern ab. Als Jugend- und Reifehabitat werden gerne besonnte und windgeschützte Sträucher und Hecken besetzt. Bei Einbruch der Dunkelheit werden Schlafplätze innerhalb des Röhrichtdickichtes angeflogen, wo die Tiere wegen der höheren Luftfeuchtigkeit an senkrechten Halmen ruhen.



Blaugefärbte Variante eines weiblichen Kleinen Granatauge (Foto: Heide Gospodinova, xxl-Foto)

Die adulten Tiere sind recht schwer zu beobachten, da sie ihr Leben zum größten Teil weit draußen auf der Wasserfläche in den Schwimmblattzonen verbringen. Hier besetzen die Männchen Reviere auf Seerosenblättern, die sie gegen Eindringlinge anderer Arten, selbst Großlibellen, und Artgenossen vehement verteidigen. Ihre Aktivität beginnt bereits am frühen Morgen mit intensiven Suchflügen in geringer Höhe von nur wenigen cm. Die paarungsbereiten Weibchen erscheinen erst nach einem ausgiebigen Sonnenbad um die Mittagszeit am Wasser. Ist ein Weibchen entdeckt, wird es vom Männchen direkt angeflogen und in der Luft ergriffen.



Tandemformation des Kleinen Granatauge (Foto: H.-Willi Wünsch, xxl-Foto)

In der sogenannten Tandemformation geht es dann wieder zum Teichrosenblatt zurück, wo dann die Paarung sitzend vollzogen wird.



Kopula des Kleinen Granatauge (Foto: Heide Gospodinova, xxl-Foto)

Selten fliegt das Männchen mit dem Weibchen zusammen hierzu die nahe Ufervegetation an. Bereits kurze Zeit später geen sie dann gemeinsam zur Eiablage über. Zum Zeitpunkt der größten Mittagshitze ist die Abundanz am größten. Bereits ab 13:00 Uhr lässt die Aktivität merklich nach. Bis gegen 19:00 Uhr können noch vereinzelt Tiere beobachtet werden.

  

Eiablage des Kleinen Granatauge, links mit grün- und rechts mit blaugefärbtem Weibchen
(Fotos: H.-Willi Wünsch, xxl-Fotos per Bildklick)

Die Eier werden in waagerechter Position abgelegt, wobei das Weibchen seine Eier in weiches Pflanzensubstrat unterhalb der Wasseroberfläche einsticht. Nur wenn das Männchen keine Gelegenheit hat sich abzusetzen, stellt es sich aufrecht auf die Vorderbrust des Weibchens.

Beträgt die Wassertemperatur ca. 20°C, schlüpfen nach etwa 30 bis 35 Tagen die Larven, die sich den Sommer über weiterentwickeln und in ihren letzten Larvenstadien überwintern. Bei kühlerer Wassertemperatur fahren die Tiere ihren Stoffwechsel sehr weit herunter. Ab einer Wassertemperatur von 8°C wird keine Nahrung mehr aufgenommen, sodass sich ihre Entwicklung im Winter stark verlangsamt.

Zum Ende des larvalen Lebens schlüpfen die Larven nicht wie andere Kleinlibellen an senkrecht aufragenden Strukturen sondern wählen horizontale Lagen. Manche Tiere erklettern hierzu die Blätter der Schwimmblattvegetation, andere tauchen nur soweit aus dem Wasser, dass der Thorax gerad edie Oberfläche durchbricht. So schlüpfen diese Tiere unmittelbar an der Wasserlinie. Die Emergenz von Erythromma viridulum dauert unter optimalen Bedingungen bis zu 1,5 Stunden.

Nahrung
Erythromma viridulum ist eine ausgesprochen aggressive und unerschrockene Kleinlibellenart. Die Tatsache, dass sie ihr Revier gegenüber Libellenarten, die dem Mehrfachen ihrer eigenen Größe entsprechen, erfolgreich verteidigt, spiegelt sich auch in ihrem Beutespektrum wieder. Die relativ kleine Schlanklibelle ist in der Lage, Insekten zu erbeuten, die ihrer eigenen Größe entsprechen oder sogar darüber hinausreichen. So zählen neben Fliegen, Mücken, Käfern, kleinen Motten und Schmetterlingen auch Riesenschnaken zu ihren Opfern. Dies konnte sogar bei Jungtieren der Art beobachtet werden.



Männchen des Kleinen Granatauge (Foto: Heide Gospodinova, xxl-Foto)

Larven: Die Larven des Kleinen Granatauges sind scheue und schnelle Jäger, die gut getarnt zwischen Unterwasserpflanzen leben und jagen. Ihr Beutespektrum entspricht weitestgehend dem anderer Schlanklibellen.

Verbreitung in D/Welt
Das Kleine Granatauge (Erythromma viridulum) fliegt jahreszeitlich gesehen später als das Große Granatauge (Erythromma najas). Die Libelle gilt als holomediterrane Art, deren Bestandszunahme in den letzten Jahren mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wird. Sie ist allgemein wärmeliebender als die große Schwesternart. Dennoch kommen beide Arten in der Übergangszeit (Anfang und Ende der Flugzeiten beider Arten) in ihren Habitaten kurzzeitig vergesellschaftet vor. In Europa wird die Art zum Norden hin, wohl aus klimatischen Gründen, immer seltener. Im Osten erreicht das Verbreitungsgebiet Turkestan. Die nordwestliche Grenze zieht sich etwa quer durch das nördliche Mitteleuropa von Polen über Brandenburg, Westfalen, die Niederlande und Frankreich. Im Süden ist sie häufig vertreten.



Gut verstecktes weibliches Kleines Granatauge (Foto: H.-Willi Wünsch, 20.09.2010, xxl-Foto)

Beobachtungen der letzten Jahre lassen eine Ausbreitungstendenz nach Norden hin feststellen. Als generelle Art des Tieflandes hat ihr Verbreitungsgebiet inzwischen Südostengland erreicht und dehnt sich von dort entlang der Nord- und Ostseeküste über das Baltikum bis nach Russland aus.

Die Art gilt in Deutschland zurzeit als nicht mehr gefährdet. Dennoch steht sie, wie alle anderen Libellen auch, unter besonderem Schutz.

Verbreitung in NRW
Aufgrund seiner "versteckten" Lebensweise, weitab von der Ufervegetation, dürfte Erythromma viridulum hierzulande häufiger vorkommen als bisher festgestellt. Sichere Nachweise über das Vorkommen der Art lassen sich durch das Auffinden der Jungtiere in der näheren Umgebung der in Frage kommenden Gewässer belegen. Die Autoren fanden das Kleine Granatauge in verschiedenen Habitaten in NRW, u. a. an den Gewässern des ehemaligen Braunkohletagebaus in Frechen, im Erftkreis, an Teichen in der Voreifel und Gewässern mit extensiver Fischwirtschaft im Rhein-Sieg-Kreis. Weitere Vorkommen sind aus dem Münsterland bis in den Norden an der Grenze zu Niedersachsen bekannt.
Aufgrund von "Fernglasbestimmungen" kommen jedoch Verwechslungen mit dem Großen Granatauge (Erythromma najas) immer wieder vor. Nichts desto trotz darf der Gesamtbestand in NRW als gesund angesehen werden.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

BROCHARD, C.; D. CROENENDIJK; E. VAN DER PLOEG & T. TERMAAT (2012): Fotogids Larvenhuidjes van Libellen. KNNV. 224 S.

DIJKSTRA, K.-D. B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland. Ein Geländeschlüssel. Buch u. DVD.

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Verlag Eugen Ulmer, 336 S.

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (1999): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 1, Kleinlibellen (Zygoptera). Ulmer Verlag. 468 S.

WILDERMUTH, H. & A. MARTENS (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. 824 Seiten, Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co. Wiebelsheim

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2012): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. CD-ROM, Band 1, Kleinlibellen, 4. aktualisierte Auflage


Zur Buchliste weiterer interessanter Libellen-Bücher auf www.natur-in-nrw.de

Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

waldschrat-online.de: Informationen, Fotos, CD-Rom, Blog... über Libellen in Nordrhein-Westfalen von H. Gospodinova und H.-Willi Wünsch

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.

www.libellenwissen.de: Sehr viele Informationen über Libellen, Bestimmungshilfen, Fotogalerien uvm. von Andreas Thomas Hein


Zur Linkliste weiterer interessanter Libellen-Internetseiten auf www.natur-in-nrw.de